Die Beleidigten

von Ulrich Hub

Österreichische Erstaufführung

Die erste Geige würde am liebsten die nervige Bratsche mit einer Darmseite erwürgen. Das Cello trennt sich von der zweiten „Arschgeige“, weil sie lieber ein Duo mit der ersten spielen würde. Das wiederum bringt die Bratsche aus dem Rhythmus. Ulrich Hub erhielt für dieses Stück 1998 den Preis der Frankfurter Autorenstiftung. Eine gekonnte Gratwanderung zwischen aktueller Beziehungskomödie und hochexplosivem Kammerspiel.

Premiere: 12. Jänner 2002 im Pförtnerhaus Feldkirch
Wien-Premiere: 02. April 2002 im dietheater Konzerthaus Wien

Regie: Evelyn Fuchs
Es spielen: Dietmar Nigsch, Ernst Marathon, Maria Hofstätter, Susi Stach

Pressestimmen

Saiten-Virtuosen auf Trivial-Trip
Projekttheater bot österreichische Erstaufführung der „Beleidigten“ von Hub

Christa Dietrich
Vorarlberger Nachrichten, 14.01.2002

Sind Ensemble-Musiker die sensibleren Menschen, solche denen die Schulung im unabdingbaren Aufeinanderhören auch im täglichen Miteinander zugute kommt? Die Frage ist obsolent, unabhängig davon, dass sie der deutsche Autor Ulrich Hub in seinem Stück „Die Beleidigten“ verneint. Ein Streichquartett auf Psycho-, besser gesagt, Trivial-Trip. Im Feldkircher Pförtnerhaus hat das Publikum seit Samstag Gelegenheit, die andere Seite der Saiten-Akrobatik kennenlernen.

Dank des Projekttheaters. Das Ensemble – seit Jahren ein fixer Bestandteil des Vorarlberger Bühnengeschehens – hatte mit „Eva Braun“ vor zwei Jahren erstmals ein Stück von Ulrich Hub im Programm. Die sorgfältige Darlegung gefährlicher und leider auch gegenwärtiger gesellschaftlicher Mechanismen anhand der Biographie einer „Nebenfigur“ der Geschichte, nämlich Hitlers Geliebten, macht Hub zum vielzitierten Autor.

Zwei, nein vier Paare

„Die Beleidigten“ haben sich – obwohl vor drei Jahren beim „Heidelberger Stückemarkt“ ausgezeichnet – bislang nicht derart durchgesetzt. Die Proben eines Streichquartetts, das man – banale Handlungseinheiten im Stück aufnehmend – gleich zum „Streichquartett“ erklären könnte, führen nicht zu kompaktem Ensembleklang: Geigen, Bratsche und Cello driften zusehends auseinander, das heißt, es gehen auch die übers Kreuz verknüpften Paarbeziehungen im Quartett zu Bruch.

Leichtfüßigkeit?

Anregend sind nicht unbedingt die Dialoge in diesem Quartettspiel auf blankem Podium, in dem immer einer den „Schwarzen Peter“ hat bzw. beleidigt wird, Anregendes findet sich in der Struktur.
Es scheint so, als hätte Ulrich Hub versucht, die anspruchsvolle Umsetzung folgenschwerer Beziehungskonflikte mit Elementen des Boulevards oder mit der Derbheit zeitgemäßer Volksstücke zu durchbrechen. Das hat durchaus etwas. Leichtfüßigkeit, die etwa Botho Strauß (dem Triviales durchaus nicht fremd ist) in seinen Beziehungsstücken erreicht, weist diese Komposition dabei allerdings nicht auf. Obwohl man feststellen kann, das sich Maria Hofstätter und mit Ernst Mathon ein vielversprechender Neuzugang beim Projekttheater um eine solche sehr bemühen.

Zupfen und streichen

Hier werden Emotionen hingezupft, die man anderweitig leider allzu oft glattstreicht. Auch wenn die kumpelhafte Direktheit von Susi Stachs Cello gefallen kann und der sehr laute Dietmar Nigsch einiges an Witz aufbringt.
Die Regie (Evelyn Fuchs) hat der bekannten Rollenverteilung im Quartett mit erster und zweiter Geige, Bratsche und Cello vertraut, zuweilen hätte man aber gern noch mehr vernommen. Etwa noch mehr vom – dem Stücktext innewohnenden – feinen Humor.
Dennoch viel Premieren-Applaus im ausverkauften Pförtnerhaus.
Schmunzeln darf man übrigens auch über die Stückauswahl einer Theatergruppe, die sich seit geraumer Zeit mit viel Pioniergeist um ein größeres Kulturangebot in der Konservatoriums-Stadt Feldkirsch bemüht, die Theaterschaffende bislang eher stiefmütterlich behandelte, nun aber mit Millionenaufwand ein Musik-Festival aus dem Boden stampft.

Über musikalische und menschliche Dissonanzen
Beziehungsgeschichten verpackt in einem Streichquartett zeigt das Vorarlberger Projekttheater derzeit in Feldkirch in „Die Beleidigten“ von Ulrich Hub.

Brigitte Kompatscher
NEUE Vlb Tagsezeitung, 15.01.2002

In der Projekttheater-Produktion von Ulrich Hubs „Die Beleidigten“ stehen vier MusikerInnen auf der sparsam und reduziert ausgestatteten Bühne (vier Stühle, vier Notenständer, vier Instrumentenkoffer und vier Instrumente), deren individuellen Charaktere und persönliche Befindlichkeiten immer wieder aus ihrem MusikerInnendasein heraustreten und sich in den Vordergrund stellen.
Unterschwellige und offensichtliche Aggressionen, verbale und strukturelle Gewalt prägen die Beziehungen der vier OrchestermusikerInnen: zwei Paare, die in einem Streichquartett für ihren Auftritt auf der Museumsinsel proben. Die erste und die zweite Geige, die Bratsche und das Cello liefern sich einen Kampf, in dem jede/r gegen jede/n seinen Frust auslebt.
Eine „restlos abgewirtschaftete Zweisamkeit“ der ersten Geige und der Bratsche sowie der zweiten Geige und des Cellos bildet den Nährboden für das gegenseitige Zerfleischen, das stattfindet.
In der Inszenierung von Evelyn Fuchs zeigen sich vier stark individualisierte Figuren, die von den SchauspielerInnen überzeugend dargestellt werden – eine zurückhaltenden, leise zweite Geige (Ernst Mathon) steht einer lauten ersten (Dietmar Nigsch) gegenüber, ein schrilles, impulsives Cello (Susi Stach) einer beherrschten, perfektionistischen Bratsche (Maria Hofstätter). In diesem Beziehungsgeflecht schreien, weinen und jammern die Figuren: Die Verhaltensmuster und sogar ganz Sätze der einzelnen Personen sind häufig gleich und mit zeitlichem Abstand mehrmals geäußert. Die vier treten auf der Stelle und auch jeder Partnerschafts-Neuanfang quer durch die Gruppe scheitert. Es sind kaputte Beziehungen, die Ulrich Hub in „Die Beleidigten“ vorführt, deren Darstellung auch nicht davor zurückscheut, die einzelnen Figuren zu verletzen und bloßzustellen.
Die Einspielungen aus dem Off lassen die Handelnden auf eindrückliche Weise und ohne die sonst so gegenwärtige Wut zu Wort kommen, diese Stimmen bauen die Vergangenheit und auch die Zukunft in das aktuelle Geschehen ein – eine Zukunft, in der einer der vier mit einem Messer in den Orchestergraben gehen wird.
Vom Premierenpublikum im ausverkauften Feldkircher Pförtnerhaus gab´s viel Applaus.

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