Die Präsidentinnen

von Werner Schwab

Schwabs Stück ist eine bitterböse und zugleich komödiantische Sprachattacke. Drei Frauen – die „Präsidentinnen ihres Unglücks“ – sprechen über ihr Leben, um ihr Leben, ersprechen sich ihr Leben. Das ist komisch, zynisch und spannend.

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Die Präsidentinnen sitzen in einer Wohnküche, zu der wie ein Hausaltar ein Fernseher gehört, aus dem der Papst gerade den Segen urbi et orbi erteilt: Rom und dem Rest der Welt. Und Erna, Grete und Mariedl. Schließlich beginnen sie über ihr Leben, ihre Kinder, über Sex und verstopfte Aborte zu philosophieren. Ein paar Gläschen Wein läßt ihre Gedanken schweifen und sie ihr persönliches Glück auf einem Fest herbeiphantasieren: Erna findet zu ihrem katholischen Metzger Wottila, Grete ihren knackigen Tubabläser Freddy und Mariedl befreit wieder einmal als unschlagbare Spezialistin alle Aborte dieser Welt von steckengebliebener Scheiße. Das Ende von Präsidentinnen ist die Stunde einer Pestgöttin. Mariedl verheißt den Präsidentinnen Erna und Grete das nahe Ende. Ernas Sohn Hermann, der seiner Mutter keine Enkel schenkt, sich das Gesicht zerschneidet und säuft, und Gretes Tochter Hannelore, die von ihrem Stiefvater mißbraucht wurde, Glasscherben gegessen hat und nach Australien ausgewandert ist – diese von ihren Eltern in die Selbstzerstörung getriebenen Kinder werden kommen, prophezeit Mariedl, und Erna und Grete töten. Ein Taxi wird vorgefahren mit Herrmann und Hannelore auf den ledergepolsterten Rücksitzen. Hannelore wird Lydi, Gretes Hund, zemantschen und Grete ins Irrenhaus schaffen. Der betrunkene Herrmann wird Erna und ihren Bekannten, den katholischen Metzger Wottila, am Kragen packen und die beiden solange gegeneinander schlagen, „bis das Blut spritzt und die Seelen auswandern.“ Aber Schwabs Welt, in der statt der leibeigenen Kinder die Müllhalden kreißen, gehen Prophezeiungen unter, und so stirbt Mariedl wie ein Bote mit einer schlechten Nachricht.

Eine solche Gemeinheit, ein so grobes Stück können sie sich von Mariedl nicht gefallen lassen, sagen sich Erna und Grete. Sie holen das Küchenmesser, und die Szene eskaliert zum Massaker…

 

Jubiläumstournee

Der Grazer Schriftsteller Werner Schwab wurde nur 36 Jahre alt. Und doch war er der meistgespielte Gegenwartsdramatiker. Und der umstrittenste. Das Projekttheater hat sich bereits früh mit seinen Werken beschäftigt. Mit „Die Präsidentinnen“ , begibt sich das Projekttheater, nach beinahe 200 Gastauftritten in In-und Ausland, auf eine 20-Jahre-Jubiläumstournee!

Regie: Walter Hiller
Kostüme und Bühne: Renate Schuler
Es spielen: Dietmar Nigsch, Maria Hofstätter und Martina Spitzer

Als Tournee-Stück buchbar
Tournee-Organisation: Maria Hofstätter | hofstaetter@projekttheater.at | Tel. +43 699 125 99 503

Fotos: Marie Luise Lichtenthal

Weitere Infos

Pressematerial

Fotos: Marie Luise Lichtenthal | Der Abdruck der Fotos ist ausschließlich für die Berichterstattung und Bewerbung des Stücks „Die Präsidentinnen“ und unter Nennung des Urhebers honorarfrei.

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Technische Voraussetzungen

Bühnengröße: mind. 4m Breite, 3m Tiefe, 3m Höhe

Licht: Bühnenausleuchtung, Rot-und Blaufilter

Ton: CD-Einspielung

… sensationell, was sich da auf der Bühne abspielt! Zwei Schauspielerinnen und ein Schauspieler, die die Charaktere so glaubwürdig verkörpern, dass die radikale Komödie zur Realsatire wird. Brutal witzig!

Süddeutsche Zeitung

Die DarstellerInnen sind ein faszinierendes Trio

Vorarlberger Nachrichten

Das Stück lebt nicht von der großen Action, sondern von der Sprache und ihrer akurat umgesetzten Mimik und Gestik. Und das ist den ,,Präsidentinnen“ auch köstlich gelungen.

Passauer Neue Presse

Pressestimmen

Brutal witzig
Werner Schwabs „Präsidentinnen“ als Comedy im Vereinsheim

Petra Hallmayer
SZ, 14.5.2007

Ein schräges Trio: Dietmar Nigsch lüsternes, papageienbuntes Mordstrummweib Grete trägt clowneske und riesige, knallgrüne Lidschattenhalbmonde. Martina Spitzers prüde, fantastisch sparsame Kittelschürzen-Erna – ein bigotter, bellender Feldwebel – balanciert einen Pelzkappenturm auf dem Kopf. Die einfältige Klofrau Mariedl (stark: Maria Hofstätter) popelt in der blutig roten Nase und sabbert Spuckbäche, die über ihr Kinn rinnen.
Drei Kleinbürgerinnenmonster schütten in Werner Schwabs Fäkaldrama „Die Präsidentinnen“, einer makaberen Volkstheatertravestie, am Küchentisch ihren Lebensmüll aus. Das Projekttheater Vorarlberg macht daraus im Vereinsheim eine Gaudi voll wilder, grotesker Komik, die gezielt die Ekelgrenze überschreitet. Nachdem Erna ausgiebig gespien hat, ist ihr Gesicht mit Kotze bedeckt, an der Mariedl dann gleich ein bisserl schnuppern mag.
Weil die vom Glück vergessenen auch einmal „eine Hetz“ haben wollen, setzen sie sich Faschingshütlein auf und berauschen sich an ihren Wunschphantasien. Während Grete und Erna vom sozialen Aufstieg träumen, malt sich Mariedl eine Verstopfung aus. Doch als die von allen Verachtete in einer sadistisch unheiligen Vision die Lebenslügen der anderen zerstört, wird sie massakriert. Bis dahin darf viel gelacht werden. Sicher ließen sich auch dunklere, schmerzhaftere Töne anschlagen. Es ginge auch anders, aber so geht es auch. Schwab als radikal witzige Grusel-Comedy. Dafür bekam das Trio am Ende großen Applaus und jodelte eine Zugabe.

Deftiges aus dem Dreimäderlhaus

PET
Süddeutsche Zeitung 4.11.1997

Mariedl hat den Arm bis zur Achsel in der Kloschüssel, Erna eine Pelzhaube vom Fundamt, und Grete einen Dackel, der mit dem Kopf nicken kann. Zu sehen war das Trio in der Turnhalle Oberdorfen, da das Dorfener Theater hinter dem Mond das Projekt-Theater Vorarlberg mit dem Stück Die Präsidentinnen“ von Werner Schwab eingeladen hatte.

Die drei Frau wohnen nicht gerade auf der Sonnenseite, eine jede hat genug Schicksal hinter sich, um ausreichend darüber zu lamentieren. Und das tun sie in dieser ,,radikalen Komödie“ auf eine Art und Weise, daß für den Zuschauer Freude aufkommt.

Ins Groteske überzeichnet sind die Dialoge des jung verstorbenen Österreichers Schwab. Er treibt nicht nur mit dem Entsetzen Scherz, sondern auch mit deftigen Sätzen, die inhaltlich zumeist eine Hand breit und tiefer unter dem Bauchnabel angesiedelt sind.

Aber darüber sich zu entsetzen ist unnötig, denn die drei Damen sind durchaus realistisch angelegt, auch einer bigotten Person wie der Erna rutscht eben schon einmal die Scheiße aus dem Mund, und wenn der Tubabläser der Grete den Finger in eine primär dafür nicht vorgesehene Körperöffnung steckt, so etwas soll ja auch schon mehrfach vorgekommen sein. So wäre es also nicht so sensationell, was sich da auf der Bühne abspielt, wenn es nicht zwei Schauspielerinnen und einen Schauspieler gäbe, die die Charaktere so glaubwürdig verkörpern, daß die radikale Komödie zur Realsatire wird.

Ja, diese Erna, die sich endlich einen Fernseher geleistet hat, ist aus dem Leben gegriffen, auch wenn man sich kaum vorstellen kann, daß jemand anderes eine überdimensionierte Pelzmütze derart würdevoll und schmallippig tragen könnte wie Christine Aichberger. Daß es sie bedrückt, wenn der versoffene Sohn Hermann nicht einmal ,,unter dem Strich“ für ein Enkerl sorgen will, das ist ebenso aus dem Leben wie ihr unerbittlicher Glaube an Gott, die Sparsamkeit und der Metzger Wottila.

Selbst der Mann Dietmar Nigsch, als Grete dick geschminkt und schmuckbehangen, scheint zu wissen , was eine Frau fühlt, der zwei Männer, die vom Vater vergewaltigte Tochter und jegliche Attraktivität flöten gegangen sind.

Da scheint es Maria Hofstätter als Mariedl noch am besten getroffen zu haben. Sie ist glücklich, Sanitärprobleme mit den Händen lösen zu dürfen, sabbert mit einer gewissen Zufriedenheit und offenen Mundes, wenn ihre Freundinnen sich die Männer ihrer Träume herbeireden. Daß diese dann aber Mariedls erdachte Erlebnisse als Terminator der verstopften Klomuschel so herablassend zur Kenntnis nehmen, gibt dem Stück die überraschende Wendung. Zuerst rächt sich Mariedl, in dem sie die Geschichten von Grete und Erna ganz anders zu Ende erzählt, als sich diese gerne ausgemalt hätten.

Messerscharf

Sie holt sie damit in die Tristesse ihres Daseins zurück, in dem kotzende Söhne und wackelnde Dackel die Hauptrollen spielen. Das wiederum muß den Autor so sehr erzürnt haben, daß er Grete und Erna zum Messer greifen läßt, um Mariedls Kopf vom Rumpf zu trennen. Oder sollte Werner Schab hier die Luft ausgegangen sein?
Es lohnt allerdings kaum, länger darüber nachzudenken. Was bis dahin auf der Bühne zu sehen und zu hören war, läßt auch diesen Schluß verzeihen. Fazit: Eine Theatergruppe, die dieses Stück nach Dorfen holt, kann nicht hinter dem Mond zu Hause sein.

Schwab eben oder Wie Seele brennt
Das Projekttheater spielt Werner Schwabs „Präsidentinnen“ am Saumarkt: eine Entdeckung

Chrsita Dietrich
Vorarlberger Nachrichten 21.6.1996

„Es muß scheppern“, verlangte sich der österreichische Autor Werner Schwab ab. Mit den 1990 uraufgeführten ,,Präsidentinnen“ zeigte sich seine konsequente Auseinandersetzung mit dem Volkstheater, dem er weit über den kritischen Neuerer Kroetz hinaus einen Weg wies.

Wenn das Projekttheater nun nach ,,Bauern sterben“ (Hallenbad, 1995) diesen Schwab für eine Aufführungsserie nach Vorarlberg bringt, unterstreicht dies, daß es Hiller, Nigsch und den weiteren Protagonisten der Truppe nicht darum geht, Möglichkeiten der Provokation in einer eher ruhigen Theaterregion durchzutesten, sondern um Kontinuitat in der Auseinandersetzung. Abgesehen davon sollte mit der diesjährigen Produktion erstmals in Vorarlberg ein Schwab-Stück zur Diskussion gestellt werden. Schließlich handelt es sich beim am 1. Jänner 1994 im Alter von 36 Jahren verstorbenen Schwab um einen der wichtigsten Gegenwartsautoren des Landes.
Seine „Präsidentinnen“ sind – wie es in dieser Inszenierung von Walter Hiller unterstrichen wird – Figuren, die dem Volkstheater entstammen. Die Wurzeln könnten durchaus bei Horvath oder Marieluise Fleißer angesiedelt sein. Schwab, der scharfe Beobachter, entwirft hier aber nicht nur Figuren, sondern auch Typen, in denen Verhaltensweisen, Eigenschaften, Reaktionen zu Tage treten, die das Umfeld des Autors prägten. Nicht ein bestimmter Konflikt wird aufgezeigt, sondern eine generelle im bäuerlichen oder kleinbürgerlichen bzw. katholischen Milieu angesiedelte Pro-blematik des Heuchlerischen. Wenn hier schrill überzeichnet wird, so hat Schwab das Grelle, Radikale, Schockierende im Auge, das auch zum Lachen reizt, und nicht die Pointe im kabarettistischen Sinn.

Brennend

Walter Hiller hat diesem Effekt gut nachgespürt, seine Figuren sind Darsteller und Erzähler zugleich. Im besonderen gelingt das Christine Aichberger als stockkonservative Erna, die vom polnischen Wurster Wottila begehrt werden will (ein Namensspiel ist gewiß beabsichtigt – hören Sie genau hin!). Grete wird skizziert – von Ausstatterin Renate Schuler entsprechend unterstrichen – als das Alltagsmonster, dessen Brutalität in unserer Gesellschalt salonfähig geworden ist. (…) In der Klosettfrau Mariedl zeigt sich sowohl das erbarmungswürdige Opfer als auch – besonders kraß – die Verlogenheit „frommer“ Sprüche, die niemandem fremd sind. Maria Hofstätter gibt diesem Elend Bühnengestalt – konsequent, brennend.

Schwab am Kornmarkt
„Die Präsidentinnen“ des umstrittenen Autors sind in Bregenz zu sehen

Edgar Schmidt
VN-Heimat 4.7.1996

Werner Schwab (1958-1994), der frühverstorbene Bürgerschreck aus Graz, der mit seinem „Schwabisch“ dem Häßlichen, Fäkalischen und Degenerierten sprachlich eine neue radikale Theaterdimension erobert hat, schrieb 1990 ,,Die Präsidentinnen“, die vom renommierten Projekttheater Vorarlberg (Walter Hiller und Dietmar Nigsch) im Theater am Saumarkt produziert wurden und nach großem Publikumserfolg in Feldkirch nun für drei Tage ins Kornmarkttheater übersiedeln.

Klomuschel-Existenz

Die Pensionistinnen Grete und Erna und die passionierte Klosettreinigerin Mariedl, deren Einmaligkeit darin besteht, lustvoll ohne Handschuhe in den Dreck zu greifen, demonstrieren eindrücklich das Anliegen Schwabs, ,,daß die Leute nicht sprechen, sondern gesprochen werden“.

Die dümmlich-frivole Grete, die erzkonservative Erna und eben Mariedl, die bigotte Klo-muschel-Existenz und Marienverehrerin, zelebrieren in ihren kompromißlosen Lebenslüge-Dialogen das Outing ihrer kaputten Seelen als grell überzeichnete, teils humoristische Volkstheatertypen, aus denen aber immer der grausige Hohn Schwabs über das heuchlerische Sozialgefüge seiner Umwelt spricht.

Die drei Darstellerinnen sind ein faszinierendes Trio, Maria Hofstätter als in sabbernder Häßlichkeit und Fakalien vegetierendes Geschöpf Mariedl ist aber schier grandios! Und Regisseur Walter Hiller balanciert gekonnt zwischen direkter Deftigkeit und typisierender Abstraktion (Schwabs „gesprochen werden“).

Der Grazer Schriftsteller Werner Schwab ...

…starb vor zwei Jahren. Er wurde nur 36 Jahre alt. Und doch war er der meistgespielte Gegenwartsdramatiker. Und der umstrittenste. Zum ersten Mal ist nun ein Stück von Werner Schwab in unserer Region zu sehen. Das Saumarkt Theater Feldkirch zeigt ,Die Präsidentinnen“. Premiere war gestern abend.

Anita Grüneis
Radio L 20.6.1996

Und so beginnt die Auffühwng: Auf der Bühne steht ein Tisch mit zwei Stühlen und einem Hocker. Und während das Publikum noch den kahlen Bühnenraum von Renate Schuler betrachtet, poltern drei Frauen aus dem Zuschauerraum auf die Bühne. Die eine in einer dunkleblauen Arbeitsschürze mit einer immens hohen Pelzmütze auf dem Kopf. Die andere im knallroten engen Kleid mit tiefem Ausschnitt und über und über mit Goldschmuck behangen. Dick ist sie, die Frau in Rot und trägt eine monströse weisse Perücke. Die dritte Frau wirkt ärmlich, mit ihren verblichenen Haaren und ihrer schiefen Brille. Dann hält sie auch noch dauernd den Mund offen, bohrt in der Nase und lässt Ihren Geifer einfach auf die Bluse fallen. Ein komisches Gespann sind sie, diese drei Weiber, die sich um den Tisch setzen und sich erstmal die Weihnachtsbotschaft vom Papst anhören. Dann fangen sie selber an zu reden, über das, was ihnen so in den Sinn kommt, den ganzen Tag, beim Putzen. Die eine, die Hagere mit der Pelzmütze, redet dauernd über Ihren Sohn, der immer nur säuft und Leberkäs isst. Und von ihrem Verehrer, den Wotila, der einen ,,Respekt in die Menschen eintreibt« und dem die Muttergottes erschienen ist. Von sich selber spricht sie von der Erna. die sich sogar den Sohn vom Mund abgespart hat.

Die Frau in Rot ist die Grete. Ihr Thema ist die Geschlechtlichkeit. Und ihre Ehen, die sie hinter sich gebracht hat. Auch eine Tocher hat sie, erzählt sie, die lebt nun in Australien und wurde in jungen Jahren von ihrem Vater geschändet.

Die ärmliche Frau heisst Mariedl und hört den zweien am liebsten zu. Wenn sie sich dann aber selber zu Wort meldet und zum Reden kommt, dann bleibt kein Auge mehr trocken. Von ihrer Leidenschaft erzählt sie, dem Putzen der verstopften Klos, bei dem sie auch vom Herrn Pfarrer bewundert wird. Sie machts am liebsten ohne, die Mariedl, das Putzen, und greift dann selbst hinein in die Muschel. Da graust den anderen Frauen schon mal.

Und nicht nur den Frauen auf der Bühne. Auch das Publikum schauderts, wenn die Mariedl das Putzen recht anschaulich vorführt. Zum Schluss befreit sie nicht die Aborte von der Verstopfung. Sie befreit auch die beiden anderen Frauen von ihren Illusionen. Und wird dafür mörderisch bestraft. Doch zuvor gaukeln die drei Frauen dem Publikum ein Fest im Festzet vor, bei dem die Erna sichtlich auftaut und vom Weine befreit herzlich lacht. Auch die eher behäbige Grete wird zusehends lüstern und beweglich.

Das Publikum erlebte an diesem Abend im Saumarkttheater die Volksnähe von Werner Schwab. Und das ist das grosse Verdienst des Regisseurs Walter Hiller, der den Werner Schwab in direkter Folge eines Johann Nestroy zeigt. Wie zum Beispiel die drei Frauen dem Publikum einen Unterhaltungsabend im Festzeit vorgaukeln, das ist grosse Erzählkunst – nicht nur vom Autor, auch von den drei Schauspielerinnen. Die hagere Erna, die so bigöttisch von ihrem Sohn Hermann redet und von ihrem Verehrer Wotila, dem Schlachtermeister. Sie eine jener Frauen, die jeder irgendwo in der Nachbarschaft hat. Die immer hinter den Gardinen vorschauen und alles schon im Voraus zu wissen glauben. Ein saftiger Gegensatz dazu die Grete. Schon optisch ein Genuss zum Anschauen mit ihrem saftroten engen Kleid, in das sie sich mühsam hineingezwängt zu haben scheint. Eine vom Prater könnt sie sein, mit ihrer direkten Art zu reden und zu lachen. Ein herrlich monströses Geschöpf. Dagegen wurde bei der Mariedl zuviel des Guten getan. So schwachsinnig Ist sie nicht, die Mariedl vom Schwab. Ihre Seele ist ihre Schönhelt, nur ist sie so furchtbar innerlich. Aber gar so innerlich hätte sie denn auch nicht sein müssen. Auch wenn sie mit ihren Erzählungen der Kloreinigung heftige Lacher erntete, hätte ein bisschen mehr Sottavoce gut getan. Es würde eigentlich der gesamten Produktion gut anstehen. Aber sicher war das Dauerforte dem Premieren – Lampenfieber zuzuschreiben.

Groteske über den Lebensschmutz
,,Die Präsidentinnen“ im Passauer Scharfrichterhaus

Edith Rabenstein
Passauer Neue Presse 18.10.1996

Und so beginnt die Auffühwng: Auf der Bühne steht ein Tisch mit zwei Stühlen und einem Hocker. Und während das Publikum noch den kahlen Bühnenraum von Renate Schuler betrachtet, poltern drei Frauen aus dem Zuschauerraum auf die Bühne. Die eine in einer dunkleblauen Arbeitsschürze mit einer immens hohen Pelzmütze auf dem Kopf. Die andere im knallroten engen Kleid mit tiefem Ausschnitt und über und über mit Goldschmuck behangen. Dick ist sie, die Frau in Rot und trägt eine monströse weisse Perücke. Die dritte Frau wirkt ärmlich, mit ihren verblichenen Haaren und ihrer schiefen Brille. Dann hält sie auch noch dauernd den Mund offen, bohrt in der Nase und lässt Ihren Geifer einfach auf die Bluse fallen. Ein komisches Gespann sind sie, diese drei Weiber, die sich um den Tisch setzen und sich erstmal die Weihnachtsbotschaft vom Papst anhören. Dann fangen sie selber an zu reden, über das, was ihnen so in den Sinn kommt, den ganzen Tag, beim Putzen. Die eine, die Hagere mit der Pelzmütze, redet dauernd über Ihren Sohn, der immer nur säuft und Leberkäs isst. Und von ihrem Verehrer, den Wotila, der einen ,,Respekt in die Menschen eintreibt« und dem die Muttergottes erschienen ist. Von sich selber spricht sie von der Erna. die sich sogar den Sohn vom Mund abgespart hat.

Die Frau in Rot ist die Grete. Ihr Thema ist die Geschlechtlichkeit. Und ihre Ehen, die sie hinter sich gebracht hat. Auch eine Tocher hat sie, erzählt sie, die lebt nun in Australien und wurde in jungen Jahren von ihrem Vater geschändet.

Die ärmliche Frau heisst Mariedl und hört den zweien am liebsten zu. Wenn sie sich dann aber selber zu Wort meldet und zum Reden kommt, dann bleibt kein Auge mehr trocken. Von ihrer Leidenschaft erzählt sie, dem Putzen der verstopften Klos, bei dem sie auch vom Herrn Pfarrer bewundert wird. Sie machts am liebsten ohne, die Mariedl, das Putzen, und greift dann selbst hinein in die Muschel. Da graust den anderen Frauen schon mal.

Und nicht nur den Frauen auf der Bühne. Auch das Publikum schauderts, wenn die Mariedl das Putzen recht anschaulich vorführt. Zum Schluss befreit sie nicht die Aborte von der Verstopfung. Sie befreit auch die beiden anderen Frauen von ihren Illusionen. Und wird dafür mörderisch bestraft. Doch zuvor gaukeln die drei Frauen dem Publikum ein Fest im Festzet vor, bei dem die Erna sichtlich auftaut und vom Weine befreit herzlich lacht. Auch die eher behäbige Grete wird zusehends lüstern und beweglich.

Das Publikum erlebte an diesem Abend im Saumarkttheater die Volksnähe von Werner Schwab. Und das ist das grosse Verdienst des Regisseurs Walter Hiller, der den Werner Schwab in direkter Folge eines Johann Nestroy zeigt. Wie zum Beispiel die drei Frauen dem Publikum einen Unterhaltungsabend im Festzeit vorgaukeln, das ist grosse Erzählkunst – nicht nur vom Autor, auch von den drei Schauspielerinnen. Die hagere Erna, die so bigöttisch von ihrem Sohn Hermann redet und von ihrem Verehrer Wotila, dem Schlachtermeister. Sie eine jener Frauen, die jeder irgendwo in der Nachbarschaft hat. Die immer hinter den Gardinen vorschauen und alles schon im Voraus zu wissen glauben. Ein saftiger Gegensatz dazu die Grete. Schon optisch ein Genuss zum Anschauen mit ihrem saftroten engen Kleid, in das sie sich mühsam hineingezwängt zu haben scheint. Eine vom Prater könnt sie sein, mit ihrer direkten Art zu reden und zu lachen. Ein herrlich monströses Geschöpf. Dagegen wurde bei der Mariedl zuviel des Guten getan. So schwachsinnig Ist sie nicht, die Mariedl vom Schwab. Ihre Seele ist ihre Schönhelt, nur ist sie so furchtbar innerlich. Aber gar so innerlich hätte sie denn auch nicht sein müssen. Auch wenn sie mit ihren Erzählungen der Kloreinigung heftige Lacher erntete, hätte ein bisschen mehr Sottavoce gut getan. Es würde eigentlich der gesamten Produktion gut anstehen. Aber sicher war das Dauerforte dem Premieren – Lampenfieber zuzuschreiben.

Mächtiges Grausen
„Präsidentinnen“

Bettina Sonnenschein
Süddeutsche Zeitung 15.10.1997

Dem Mariedl haben sie am End die Gurgel ein bissen arg schnell abgesabelt. Ihren Ärger haben sie sich vorher gar nicht recht anmerken lassen, die Grete und die Erna. Weil das Mariedl ihnen aber schon sehr schlimme Prophezeiungen gemacht hat vom Tod, vom Irrenhaus und einer großen Verdammnis. Erschrocken sind die beiden aber gar nicht und haben mit einer Seelenruhe das Küchenmesser genommen und dem Mariedl eine endgültige Stille verordnet.

Ganz schnell ist das gegangen. Aber das Projekttheater Vorarlberg hat uns trotzdem eine Mordsfreud gemacht im Lustspielhaus. Dem Schwab Werner seine ,Präsidentinnen“ hat es gegeben, und schnell waren Glück und Heiterkeit im Saal. Bestimmt, weil das Mariedl, das in echt Hofstätter Maria heißt, so herrlich gesabert und in der Nasen gebohrt hat, daß es uns ein mächtiges Grausen war. Und auch, weil es komisch geschaut hat, so wie ein bisserl blöd im Kopf. Und weil es uns von den Aborten erzählt hat, den verstopften. Die es ohne Gummihandschuh ausräumt. Der Herrgott hat ja schließlich die Jauchen erschaffen.

Und auch die Aichberger Christine, die die Erna gespielt hat, hat den Titel einer Präsidentin wohl verdient. Mit einem sicheren Stolz hat sie ihre dicke Pelzhauben getragen und ist recht fromm und verkrampft und angewidert gewesen von den Sauereien der lustigen Grete. Die wünscht sich nämlich allerweil nur einen Sex. So recht wohl gefühlt hat sich der Nigsch Dietmar zwar nicht in dem fetten Kostüm der Grete. Da hat er daran herumgezupft, daß es schon aufgefallen ist. Aber das war Wurscht, weil insgesamt der Hiller Walter, der eine Regie geführt hat, nämlich wirklich eine treffliche Vergnüglichkeit geschafft hat. Daß es einem direkt warm wird, wie dem Mariedl, wenn es in den Stuhl hinein langt.

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