Fall Ich.

Ein schizophrenes Textmosaik

Lesung

„Der Wahnsinn bricht aus, heißt es gern, ein Ausbruch von Wahnsinn,
steht wo es geht, in der Zeitung.
Wo, wenn der Wahnsinn bei mir ausbricht, hat er in mir gesteckt?
In welchem Teil? Wie ist er so unbemerkt hineingekommen, in welcher getarnten Gestalt?
Da er in nahezu jedem jederzeit ausbrechen kann, muß er in jedem auch stecken nahezu und ausbrechen wollen. Nun aber wo?
Vielleicht wäre es besser, wenn er öfter mal still zum Vorschein käme und
hieße eventuell Phantasie ….“
(Heiner Kipphardt)

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Die Texte, geschrieben von Betroffenen in manisch-psychotisch-depressiven Zuständen, pendeln zwischen Tragik und Komik, Tiefsinn und Unsinn, Poesie und völliger Unverständlichkeit und geben gleichzeitig Einblick in einen konkreten Krankheitsverlauf.
Eine Art Introspektion ins verstörte ICH.

„Das Schizophrene“ ist in uns allen, in der Gesellschaft und in jedem Einzelnen: das Paradox, die Widersprüchlichkeit, die scheinbar unvereinbaren Gegensätze – und auch die Sehnsucht, das Bemühen und der oft scheiternde Versuch, den Widerspruch im eigenen Inneren und in der Welt zu überwinden. Was den Kranken vom Gesunden unterscheidet, ist bloß die richtige Bezugnahme zu den sozialen und rationalen Gegebenheiten. Das hindert sie jedoch nicht daran kreativ zu sein, ja Kunstwerke von höchster Originalität, emotionaler Tiefe und Authentizität zu schaffen. Einen schizophrenen Menschen besser zu verstehen, würde uns helfen, uns selbst besser zu verstehen.

„Ich über mich.
Wir zwei sind die einzigen, die wirklich denken.
(Walter W.)

„Die befremdliche Welt dringt immer tiefer in mich ein. Unerbittlich. Minutenlang stecke ich den Kopf in die Trommel des Wäschetrockners. Das ist mein Raumschiff für die Reise zu einem anderen Planeten. Dort, in einer fremden Welt, wartet die Erlösung, dort werde ich erweckt werden aus der tiefen Nacht, die mich gefangenhält.“
(Renate Klöppel)

„Sehr geehrter Herr Primarius
Nachdem ich über 54 Jahre krank bin, keine Gesundheit mehr bekomme, keine Lebenslust, Lebensfreude habe, möchte ich von Ihnen, ohne Todesurteil, ohne Todesstrafe, auf meinen freien Wunsch und Willen, die schmerzlose Enthauptung bekommen. Bezahle Ihnen dafür S 50.000,-!
Für Ihre Bemühungen dankt Ihnen mit bestem Gruß Karl G.
(Karl G.)

„Wenn ich nicht so wahr wäre, wäre ich nicht so lange in einer Anstalt. Wenn ich nicht krank wäre, wäre ich diplomatischer.“
(Theobald P.)

Stimmen: Martina Spitzer und Maria Hofstätter
Schlagzeug: Michael Hofstätter
Textfassung: Maria Hofstätter und Martina Spitzer
Zeichnung: Alois Mitter

Als Tournee-Stück buchbar
Tournee-Organisation: Maria Hofstätter | hofstaetter@projekttheater.at | Tel. +43 699 125 99 503

Weitere Infos

Spieltermine

Mai 2017
12. Mai / 20:00 / KiK Ried, O.Ö. / www.kik-ried.com

Pressematerial

Zeichnung: Alois Mitter | Der Abdruck der Fotos ist ausschließlich für die Berichterstattung und Bewerbung des Stücks „Fall Ich.“ honorarfrei.

Fall Ich Pressedownload 2,6MB

Technische Voraussetzungen

Bühnengröße: mind. 4m mal 3m

Licht: Bühnenausleuchtung

Ton: 2 Mikroboards

Die Grenzen in Tabuzonen von gesellschaftlicher „Untauglichkeit“ oder Irrsinn bis hin zum Selbstmord sind fließend. Ein bedenkenswerter Abend.

Neues Volksblatt

Pressestimmen

Interview mit Maria Hofstätter "Verlogene Kunst funktioniert nicht"

Interview: CHRISTIAN PICHLER

Christian Pichler
Neues Volksblatt | Kultur
23. März 2013

Maria Hofstätter, die heute im Linzer Posthof liest, über „Wahnsinn“

Mit „Hundstage“ wurde die Filmschauspielerin Maria Hofstätter einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Die gebürtige Linzerin ist dem Regisseur Ulrich Seidl treu geblieben (zuletzt „Paradies: Glaube“). Mit „Fall Ich“, einer „Art Introspektion ins verstörte Ich“, kehrt Hofstätter mit Martina Spitzer auf die Bühne zurück. Texte von Psychiatriepatienten, vorgetragen heute (20 Uhr) im Posthof.

VOLKSBLATT: Kürzlich hielt ein Unternehmensberater einen Vortrag in Linz. Er forderte, Mitarbeiter sollten sich mehr mit dem Produkt ihrer Firma identifizieren. Aber welcher gesunde Mensch möchte schon ein Turnschuh sein? Ist Wahnsinn bloß eine Frage der gesellschaftlichen Perspektive?

HOFSTÄTTER: Zu einem gewissen Grad: ja. Gesellschaftliche Perspektiven haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder verschoben. Und was jetzt als normal angesehen wird, hätte vielleicht vor 100 Jahren noch als vollkommen wahnsinnig gegolten. Und es gibt zeitgleich auf der Welt Parallelgesellschaften mit völlig unterschiedlicher Auffassung von gesund und krank. Verhält man sich nonkonform, bekommt man überall ein Problem mit seiner Umgebung. Es wäre aber zu eindimensional, alle psychischen Erkrankungen auf soziale Ursachen zurückzuführen. Da wären noch die rein organischen Erkrankungen, die zu einer massiven Stoffwechselstörung im Gehirn führen und schwerst psychotische Reaktionen hervorrufen.

Ein Bekannter, der eine Psychose durchlitten hatte, meinte zu mir, Wahnsinn sei eine gesunde Reaktion auf ein krankes Umfeld. Stimmen Sie zu?

Im „Wahnsinn“ steckt tatsächlich oft sehr viel Sinn! Meistens sind besonders sensible Menschen betroffen, die mit der Grausamkeit und Verlogenheit der Umgebung nicht leben können — mit ihrem intuitiven Wissen und ihrer unkontrollierten Widerständigkeit aber fast immer einen sehr schmerzhaften, selbstbeschädigenden Weg gehen. Wahnsinn wäre dann eine gesunde Reaktion, wenn damit das kranke Umfeld gesund werden würde und der Betroffene weniger zu leiden hätte. In der Kunst ist das gelegentlich der glückliche Fall.

Können die „Normalen“ etwas lernen von der „ursprünglichen“ Kunstform des Art brut?

Auf alle Fälle! Ein Gugginger Künstler hat einmal gesagt: „Wenn ich nicht so wahr wäre, wäre ich nicht so lange in einer Anstalt. Wenn ich nicht krank wäre, wäre ich diplomatischer.“ Es ist diese unglaubliche Wahrhaftigkeit, die für uns „Normale“ so verstörend wirkt, diese Nicht-Diplomatie. Wir reagieren mit Ablehnung und Angst, anstatt uns zu bemühen, ihren Blick zu teilen. Gerade in der Bildenden Kunst und in der Literatur ist diese absolut unverstellte Authentizität besonders spürbar. Mehr Wahrhaftigkeit würde uns „Gesunden“ sicher nicht schaden, und in der Kunst zeigt sich das besonders deutlich: Verlogene Kunst berührt nicht!

Was erwartet das Publikum in „Fall Ich“?

Martina Spitzer und ich lesen Texte von Betroffenen, die in unterschiedlichen Phasen der Krankheit entstanden sind. Begleitet werden wir von Michael Hofstätter am Schlagzeug. Die Texte sind berührend, traurig, komisch und zutiefst menschlich.

Hofstätter & Spitzer: Ich, ein Problem?

Pia
Neues Volksblatt | Kultur
25. März 2013

Eine „schmerzlose Enthauptung“ beantragt einer im Brief an den Primar. Ein anderer wünscht einen bekannten Vormund und fügt treuherzig hinzu: „Herrn Dr. Zilk kenne ich vom Fernsehen.“ Wieder ein anderer Patient wird vom Arzt mit Engelsgeduld gefragt: „Wer hat den Holunder kastriert?“ Das ist die „lustige“ Seite. Die dunkle Seite beschreibt eine Frau, die in quälender Selbstbeobachtung das Fortschreiten des Wahnsinns festhält. Dann ist der Verfolgungswahn nicht mehr kontrollierbar, sie fühlt sich „in einer Welt verloren, die ich mit niemand teilen kann“. In der Psychiatrie stellen sie Tabletten ruhig.

Maria Hofstätter und Martina Spitzer haben für ihr Programm „Fall Ich“ Texte von Betroffenen zusammengestellt.
Die Schauspielerinnen, begleitet von Michael Hofstätter am Schlagzeug, gastierten am Samstag im Linzer Posthof. Die Grenzen in Tabuzonen von gesellschaftlicher „Untauglichkeit“ oder Irrsinn bis hin zum Selbstmord sind fließend. Ein bedenkenswerter Abend.

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