Fräulein Braun

von Ulrich Hub

Ein Stück für eine Komödiantin und einen deutschen Schäferhund

Sie war die heimliche Geliebte: Eva Braun. In 22 Kurzszenen erzählt sie aus ihrer persönlichen Sicht ihr Leben von ihrer Jugend im strengen Elternhaus bis zu ihrem Selbstmord im Führerbunker. Ein deutscher Schäferhund begleitet sie auf dieser Reise.

Premiere: 13. Jänner 2000 im Saumarkttheater Feldkirch
Wien-Premiere: 29.November 2000, Theater Kosmos Wien

Gastspiele 2000/01

Regie: Walter Hiller
Es spielen: Maria Hofstätter, Dietmar Nigsch
Ausstattung: Renate Schuler

Pressestimmen

Grausame Konsequenz des Rollenverhaltens
Mit „Fräulein Braun“ konzentriert sich das Projekttheater auf wesentliche Themen

Christa Dietrich
Vorarlberger Nachrichten, 15.01.2000

„Leute wie dieses Fräulein Braun, das über die Kühe auf dem Obersalzberg nicht hinausschaut und keinen Gedanken an politische Hintergründe verschwendet, geben den Diktatoren dieser Welt erst ihre Chance“, schrieb ein Hamburger Blatt nach der Uraufführung des Stücks „Fräulein Braun“ von Ulrich Hub. Eine grundsätzlich nachvollziehbare und zu unterstreichende Schlussfolgerung, denn das Stück zeigt auch die grausame Konsequenz angepassten Rollenverhaltens. Auf diese Thematik stützt sich die jüngste Inszenierung des Projekttheaters Vorarlberg – eine wesentliche im Theatergeschehen der Region und darüber hinaus.

Freilich, wer jenem Verhalten, das diese Frau – die historisch verbriefte Geliebte von Adolf Hitler – an den Tag legt, gleich die Tragödie etwaiger Unrechtsregimes zur Last legt, macht es sich auch etwas leicht. Mächtige, Patriarchen, Kirchenmänner etc. haben die Rollenmuster (im Besonderen die zwischen den Geschlechtern) so festgelegt, dass die Position möglichst lange unangefochten erhalten bleiben kann. Psychologische Maßnahmen oder politische Leitbilder, die das Unrechtsempfinden angesichts eines missachteten Gleichheitsgrundsatzes (nicht nur zwischen den Geschlechtern) schmälern sollen, sind bis heute allgegenwärtig – sind gerade in letzter Zeit auch wieder stärker präsent.

Abseits jeglichen Phänomens

Es kann hier natürlich keineswegs darum gehen, das Verhalten dieser Frau mit Angepasstheit auch nur in Teilen zu entschuldigen. Textautor Ulrich Hub gelingt es jedoch, angesichts dieser Figur solche Themen konkret aufzuwerfen und jeglichen – in diesem Zusammenhang absolut widerwärtigen – Voyeurismus erst gar nicht aufkommen zu lassen. Es ist der Verdienst der Inszenierung von Walter Hiller (Ausstattung: Renate Schuler), die Überhöhung derart fortgeführt zu haben, dass über aller Grausamkeit und bodenloser Banalität ein Geflecht sichtbar wird, das die Auseinandersetzung über erwähntes Rollenverhalten, Sadismus, die Gefahr, die mit der Kommerzialisierung von Gefühlen einhergeht, etc. – abseits eines oft zitierten Phänomens – möglich macht.

Maria Hofstätter pendelt präzis zwischen enormer Überhöhung und einer Annäherung an die Figur, die genau dort endet, wo sie allzu greifbar werden könnte. In völliger Distanziertheit macht Dietmar Nigsch, als eine Art Conférencier klar, welchen Part er in diesem „Stück für eine Komödiantin und einen deutschen Schäferhund“ innehaben könnte. Dass auch hier eine Banalität des Bösen zum Vorschein kommt, ist ein gelungener Angriff gegen jegliche Dämonisierung, der sich schon allzu viele (neben Historikern auch Künstler) strafbar gemacht haben.

Eine von Hitlers Sekretärinnen
Bis 28. Jänner ist im Theater am Saumarkt die Szenenfolge „Fräulein Braun“ von Ulrich Hub in einer Produktion des Projekttheaters Vorarlberg zu erleben.

Anna Mika
NEUE Vlb Tageszeitung, 15.01.2000

Fräulein Braun? – Ach richtig: Eva! Eva Braun, die ewige heimliche Geliebte Adolf Hitlers! Das Münchner Madl, das der Führer als Angestellte seines Haus- und Hoffotografen kennenlernte, das er 1932 „auf dem roten Sofa“ in seinem Haus am Prinzregentenplatz zu seiner Geliebten machte, wurde erst im April 1945, 36 Stunden vor dem gemeinsamen Selbstmord, Frau Hitler. Offiziell war sie eine seiner Sekretärinnen.

Eva Brauns persönliche Sicht

„Ein Stück für eine Komödiantin und einen deutschen Schäferhund“ nennt der junge deutsche Autor Ulrich Hub seine Szenenfolge. In fast zwei pausenlosen Stunden erzählt Eva Braun aus ihrer persönlichen Sicht, direkt und schonungslos ihr Leben von ihrem 17. Lebensjahr an bis zu ihrem Tod. Stets schildert sie ihre momentanen Gefühle, der Vorausblick auf das Schreckliche fehlt ganz und gar. Der Zuschauer ist dadurch geneigt, sich mit ihr über ihr Liebesglück zu freuen, bis er betroffen erkennt, wem er da beinahe seine Sympathien geschenkt hat. Es wird so nachvollziehbar, in welchen Sog der Führer-Faszination diese Eva Braun, aber auch ganz Deutschland geraten ist.

Der „deutsche Schäferhund“ – verkörpert von Dietmar Nigsch im braunen Smoking – sitzt dabei auf der Seitenbühne und tut allerhand eigenartige Dinge: er tanzt, singt eine Arie (ausgerechnet das „Vilja-Lied“ aus Lehars „Lustige Witwe“), er fährt wie ein Zirkustier Rad und muss sich übergeben. Erst am Ende besteht eine Verbindung zwischen dem Lieblingshund des Führers und ihm. Er bekommt zuerst das tödliche Zyankali, damit Eva sieht, wie schnell es wirkt.

Meist nur als Schilderung

Freilich, der Schäferhund beziehungsweise Nigsch tut diese Dinge selten wirklich, meist schildert er sie nur, mit bequem übereinandergeschlagenen Beinen und kultiviertem Theaterdeutsch. Maria Hofstätter (deren Einsatz für diese Rolle dennoch hoch zu loben ist) hingegen soll sich mit Eva Braun voll identifizieren, soll lachen und weinen, lieben und verzweifeln, soll mit den schrecklichen Ereignissen immer kälter und zynischer werden. Und genau das nimmt man ihr nicht immer ab. So fehlt im Gespräch mit dem strengen Vater, der sie in den Keller gesperrt hat, die Gerissenheit, oder es fehlt der Sarkasmus von einer, der selbst das Muttersein verwehrt war, beim Ringelreigen mit der Kinderschar Goebbels.

Vielleicht hätte Regisseur Walter Hiller, der aber mit der Organisation des Bühnengeschehens zusammen mit der Ausstatterin Renate Schuler gute Arbeit geleistet hat, diesen reizvollen Gegensatz zwischen epischer und dramatischer Darstellung noch besser herausarbeiten können.

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