Jekyll & Hyde

von Robert Wölfl

Dr. Jekyll erweckt mit selbstexperimenten sein anderes, böses Ich zu Leben und verbreitet als Mr. Hyde Angst und Schrecken im London des späten 19. Jahrhunderts, ein Theaterabend über die Attraktion des Bösen, die Suche nach dem Plan des Lebens und das Phänomen Liebe. Ein Kammerspiel in den Abgründen und Nachtseiten der Seele…

Premiere: 11.Februar 2006 im Pförtnerhaus in Feldkirch
Wien-Premiere: 27.März 2006, dietheater im Künstlerhaus Wien

Regie: Susanne Lietzow
Es spielen: Peter Badstübner, Estefania Miranda Rojas, Dietmar Nigsch
Bühne/Kostüme: Marie Luise Lichtenthal
Assistenz: Johannes Friebel
Lichtdesign/Technik: Jan Lukas, Gerhard Grasböck

Pressestimmen

Dem Schafspelz entschlüpft
Den Reiz des Bösen lotete das Projekttheater mit „Jekyll und Hyde“ erfolgreich aus.

Vorarlberger Nachrichten, 14.02.2006

Feldkirch (VN) Wenn Jekyll Hyde ist, ist Hyde auch Jekyll. Und kann denn das Gute ohne seinen Gegenspieler, das Böse, überhaupt existieren? Robert Wölfl, ein junger, in Kärnten geborener Autor, bringt diese Fragestellung in seiner „Jekyll und Hyde“-Bearbeitung zur Sprache. Das Projekttheater Vorarlberg brachte sie am Wochenende auf die Bühne des Feldkircher Pförtnerhauses. Und das mit Erfolg.

Weniger ist mehr
Nun, beginnt man am Beginn, so ist die Thematik des Stücks bereits in der reduzierten Gestaltung der Bühne durch Marie Luise Lichtenthal vorgezeichnet. Schaukästen zeigen die Entwicklung der Stubenfliege von der Verpuppung bis zum Schlüpfen und demonstrieren dadurch, dass sich das Animalische doch aus der Einschnürung durch die Konvention befreit. Geschickt gesetzte Spiegelelemente komplettieren den theatralen Tatort, indem das Spiegelbild den sich Spiegelnden in zwei Erscheinungsformen spaltet. Der Helden dieses Abends sind, Hut ab vor ihrer Leistung, vier. Allen voran Peter Badstübner, der nicht nur dem im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht zurückhaltenden Dr. Jekyll, sondern auch dem gewalttätigen Mr. Hyde eine eigene Physiognomie zusprach.
In rasender Geschwindigkeit vollzog sich der Wechsel zwischen beiden Charakteren. Mit anrührender Energie ließ Badstübner den inneren Kampf zwischen Gut und Böse Dr. Jekylls plastisch hervortreten.

Große Geste und Detail
Mit Estefania Miranda Rojas wird Dr. Jekyll seine schnippische, leicht hysterische Verlobte Ivy zur Seite gestellt, die sich zunehmend von der Vitalität des Bösen verführt sieht. Zwischen Gut und Böse schiebt sich das Gesetz, dem der Vorarlberger Dietmar Nigsch in der Rolle des Rechtsanwaltes Utterson als Sprachroht diente. Die Brillanz der schauspielerischen Leistungen, bei der große Gesten ebenso punktgenau gesetzt waren wie das Detail, bestimmte den Theaterabend.
Der Titel der vierten Heldin ist Susanne Lietzow zugedacht, die in ihrer Regieführung einen „Jekyll und Hyde“ auf die Bühne stellte, für den es nicht nur Lob, sondern Superlative regnen sollte. So wird Theater zum Erlebnis.

Ein Vorhof zur Hölle
Robert Wölfls „Jekyll und Hyde“ nach der berühmten Romanvorlage von Robert Louis Stevenson hatte in einer Produktion des Projekttheater Vorarlberg im Feldkircher Pförtnerhaus Premiere.

Brigitte Kompatscher
Neue Vorarlberger Tageszeitung, 14.02.2006

Es ist ein Vorhof zur Hölle, der in Robert Wölfls „Jekyll und Hyde“ im Pförtnerhaus in Feldkirch gezeigt wird, ein bizarrer und gewalttätiger Kampf dreier Menschen mit sich selbst und den anderen, der kaum zu gewinnen ist.
Susanne Lietzow hat ein dichtes, psychologisches Kammerspiel mit surrealen Zügen entwickelt, dem die Prämisse „No One Here Gets Out Alive“ (Jim Morrison) vorangestellt zu sein scheint.
Utterson, der Schnüffler und Spürhund (Dietmar Nigsch), Jekyll, der Fliegenforscher alias Hyde, das Monster (Peter Badstübner) und Ivy, die Frau und Geliebte (Estefania Miranda Rojas) zelebrieren einen knapp eineinhalbstündigen Todestanz, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse ständig verschwimmen, in dem Moral umso weniger vorhanden ist, je mehr sie eingefordert wird, in dem ganz tief in die dunklen Seiten der Seelen, der Individuen geschaut wird.
Die drei Figuren jagen einander nach, finden sich auch dann nicht, wenn sie sich treffen und zweifeln an der eigenen Identität.
Die SchauspielerInnen agieren in einer black box, die von drei beleuchteten Schaukästen mit Insektenpuppen dominiert wird, rollende schwarze Hocker, ein Spiegel und ein rollender schwarzer Tisch vervollständigen die Szenerie. Die Figuren wurden von Ausstatterin Marie Luise Lichtenthal in Karos gesteckt, Licht wird spärlich eingesetzt, oft nur in Form von Spots, Musik dafür häufiger.
Es ist eine beklemmende, unheimliche Atmosphäre, die geschaffen wird, und zugleich eine Sichtbarmachung menschlicher Abgründe.
Die Figuren schaffen es kaum, Nähe zueinander zu finden, Gespräche gehen aneinander vorbei. Das ständig präsente Böse übt auf alle drei unterschiedliche Faszination aus – trotz des Wissens oder zumindest Ahnens, dass es sie vernichtet, kokettieren sie damit und lassen sich wieder damit ein.
Überragend agiert Peter Badstübner, wenn er sich innerhalb weniger Sekunden vom Wissenschafter Jekyll in den Verbrecher Hyde verwandelt – ein Paradebeispiel an Schauspielkunst, dem die anderen beiden nur wenig nachstehen. Und wenn dann irgendwann gegen Ende der Satz „Wir werden alle einander fremd“ fällt, so ist das nicht der Abschluss einer Entwicklung, sondern die Beschreibung des Dauerzustandes. Eine spannende und überzeugende Produktion.

Jenseits von gut und böse

Der Standard, 14.02.2006

Die Erzählung Dr. Jekyll und Mr. Hyde von Robert Louis Stevenson handelt von der Verwandlung eines Wissenschafters in einen Verbrecher. In der Theaterfassung Jekyll & Hyde von Autor Robert Wölfl (40) ist er jedoch von Beginn an ein einen peniblen Sonderling und in einem testosterongeschwängerten Serienkiller gespalten. Wir erleben das allmähliche Übergreifen des Bösen, des Menschenverachtenden auf seine Umwelt. Jekylls Lebensgefährtin Ivy, (Estefania Miranda Rojas), verliebt sich in das Alter Ego ihres Freundes, obwohl (oder weil?)sie von ihm brutal vergewaltigt wird.
Dadurch verändert sich ihre ganze Art und Persönlichkeit weg vom zickigen Hausfräulein hin zur auftrumpfenden Femme fatale. Umgekehrt zeift Hyde (ein verblüffend wandlungsfähiger Peter Badstübner) unter dem Einfluss ihrer Liebe mehr und mehr sympahtische Züge. Der ermittelnde Gesetzeshüter Utterson, Apostel des staatlichen Gewaltmonopols, (Dietmar Nigsch) verliert sich dagegen im Strudel seelischer Abgründe.

Am Ende vergeht auch er sich an Ivy und erschießt seinen Konkurrenten Hyde genau in dem Moment, als dieser durch die Liebe wieder zum Menschen geläutert wird. Eine vielschichtige Produktion des Projekttheater Vorarlberg, karg in Szene gesetzt von Susanne Lietzow, hervorragend ausgestattet durch Marie Luise Lichtenthal. (mh)

Über den Seelenrand in Tiefen tödlicher Leidenschaft
Heftig applaudierte Premiere von „Jekyll & Hyde“ im Pförtnerhaus Feldkirch.
Unter der dünnen Oberfläche der Ordnung lauert ein Meer unzähmbarer Leidenschaft. Des Projekttheaters jüngste Inszenierung „Jekyll & Hyde“ steigt tief hinab in die Eingeweide der Seele.

Johannes Mattivi
Liechtensteiner Vaterland, 14.02.2006

Autor Robert Wölfl kann auf die eigentliche Nacherzählung der „Jekyll & Hyde“-Geschichte verzichten. Denn jeder im Publikum kennt den Plot vom Wissenschaftler Dr. Henry Jekyll, der im Selbstexperiment das Böse aus seiner Seele herausseziert, sich nächtens in Mr. Edward Hyde verwandelt und auf den Londoner Strassen des 19. Jahrhunderts Frauen aufschlitzt. Der seine Verlobte Ivy mit in den Abgrund zieht, der versucht, den Mr. Hyde in sich zu stoppen und schließlich, vollständig zu Hyde geworden, von der Polizei zur Strecke gebracht wird.

In der Psych-Kammer der Verführbarkeit
Jekyll ist Hyde – von Anfang an -, weil die Möglichkeit zum Bösen in ihm steckt. Jekylls Verlobte Ivy, die verwöhnte Göre, ist verführbar und wird von Hyde in Bann gezogen. Und auch bei Polizist Utterson, Freund Jekylls und gnadenloser Jäger Hydes, bröckelt mit der Zeit die mühsam gestützte Fassade von Gesetz und Ordnung, sodass auch er schließlich zum Vergewaltiger und Mörder wird.
Ist Jekyll böse? Als Jekyll oder als Hyde? Er ist ein Suchender, einer, der das Existenzielle, den Sinn aus den Eingeweiden der Welt heraussezieren will. Als Fliegenforscher seziert er Fliegen, erforscht ihre rätselhaften Eigenschaften, als Hyde seziert er Frauen von der Strasse, Frauen, weil er tagsüber als Jekyll ein verklemmter Mensch ist, der seine Leidenschaften unterdrückt, der seiner Verlobten nicht die Leidenschaft bieten kann, die sie geheim ersehnt. Aber auch in den Eingeweiden dieser Frauen ist Jekyll/Hyde auf der Suche. „Warum schneidet er sie auf?“, fragt Polizist Utterson seinen Freund Jekyll, den er immer wieder besucht, um ihm von seinem Leiden an diesem Fall, von seinen Zweifeln, seiner Hilflosigkeit zu berichten. „Ich weiß es nicht“, antwortet Jekyll, der als einziger weiß, dass er selbst Hyde ist, dieses zweite Ich, das er gerufen hat, immer verzweifelter. „Weil es zum Lachen ist? Weil er an uns etwas zum Lachen hat?“ schleudert ihm Utterson entgegen. Jede Nacht träumt Utterson von Hyde, der ihm immer entwischt, schwört, dass er ihn umbringen wird, wenn er ihn endlich stellen kann. Warum? Weil Utterson Angst vor Hyde hat, Angst vor der Leidenschaft, der gesetzlosen Freiheit, die er verkörpert, die er sich einfach nimmt. Angst vor der eigenen Leidenschaft und dem dunklen Drang nach Gesetzlosigkeit ist es eigentlich, die Utterson treibt. Und Ivy? Mit Hyde kann sie fliegen, kann sie eine bessere, größere Welt erträumen. Hyde bringt sie nicht um, er ritzt mit seiner Fingerkralle Zeichnungen auf ihren Körper, Pläne von Hochhäusern und Autobahnen, kühne Entwürfe – „alles gibt es nur, damit es besser wird – auch wir werden eines Tages besser sein“. Das ist die Leidenschaft, die ihr Hyde verspricht, der sie verfällt.

Susanne Lietzows Projekttheater-Inszenierung von „Jekyll und Hyde“ ist ein traumartiger Live-Film auf offener Bühne, geschnittenen in fließenden Sequenzen. Traumwandlerisch beeindruckend die Darsteller: Estefania Miranda Rojas als verwöhnte Göre und Vamp Ivy, Utterson (Dietmar Nigsch) als gequälter Polizist, und meisterlich doppelbödig Peter Badstübner in der Doppelrolle als verklemmter Jekyll und abgründiger Hyde. Ein spannender Abend, der lange nachwirkt.

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