Macht Liebe Tod

nach Friedrich Schillers Kabale und Liebe

Eine Koproduktion mit dem Posthof Linz

Schillers bürgerliches Trauerspiel hat nichts an Aktualität verloren. Noch immer spinnen Intrigen in unserer Gesellschaft unsichtbare Bänder, noch immer ist Macht omnipotent, auch wenn sie sich heute anders und versteckter, zumindest bei uns, präsentiert. Das war der Grund für das Projekttheater Vorarlberg dieses Stück aufzunehmen und neu zu untersuchen.

Premiere: 11.Jänner 1997 im Posthof Linz

Regie: Walter Hiller
Es spielen: Maria Hofstätter, Dietmar Nigsch in mehreren Rollen
Ausstattung: Renate Schuler

Pressestimmen

Keine Chance für die Liebe
,,MachtLiebeTod“: Sehenswerte Schiller-Adaphon im Linzer Posthof

B. Thek
Volksblatt, 13.01.1997

Schiller heute, auch für junge Leute? Ja, vielleicht die ,,Räuber“, wie man sie derzeit im Linzer Phönix präsentiert. Doch ,,Kabale und Liebe“, Langweiler im Literaturunterricht? Daß man auch in diesem Stück den Dichter entdecken kann, bewies ,,Macht Liebe Tod“ des Projekttheaters Vorarlberg am Samstag im Posthof.

„MachtLiebeTod“: mehr als ein zeitgeistiges Wortspiel, sondern ,,Kabale und Liebe“ auf die Kürzestformel reduziert. Zwar kann auch Liebe Macht außer Kraft setzen, häufiger aber macht Macht die Liebe tot. Die Liebe zwischen Ferdinand und Luise, dem Präsidentenabkömmung und der Tochter des meilenweit darunterstehenden Musikers – sie kann nur ein Luftschloß bleiben. Zu mächtig die Kräfte, die dagegen sind, die Machtgier des korrupten Vaters, die Gier nach Liebe, die sich bei der Mätresse des Fürsten, Lady Milford, in Ferdinand, und bei dem Handlanger der Macht, Sekretär Wurm, in Luise ihr Ziel sucht. Reduktion ist auch die Formel für die Umsetzung, die Regisseur Walter Hiller gewählt hat: Als Zweipersonenstück, tour de force für Maria Hofstätter und Dietmar Nigsch, die die auf die Dialoge verknappte Geschichte schlüssig vermitteln, sich wechselseitig in die handelnden Charaktere verwandelnd. Ohne historische Kostüme, nur mit Versatzstücken wie dem weißen Kragen für die Unschuld, der Strumpfmaske für die Verschlagenheit, der über großen Schulterpartie für den Machthabenden.

Renate Schuler hat auch für die Bühne eine überzeugende Form gefunden: im Hintergrund ein schwarzer Block, auf der eine Stufe höher an einem riesigen Tisch der Präsident agiert, auf der unteren Ebene wenige Möbel für den Salon der Milford und das Musikerzuhause. Zusammengefaßt durch eine vertikale Stoffbahn in Rot auf Schwarz, die bedrohliche Intensität ausstrahlt (Licht: Rainer Kocher). ,,MachtLiebeTod“: Sicherlich nicht in allem eine Offenbarung, doch eine durchaus geglückte ,,Klassiker“-Aktualisierung.

Machtpuzzle für Liebende
,,Kabale und Liebe“ des Projekttheaters berührt das Publikum

Christa Dietrich
Vorarlberger Nachrichten, 08.10.1997

Schiller spielen, das hat politische wie gesellschafliche Aspekte. Die großen Klassiker haben Regisseure in Ost und West nicht selten dazu inspiriert, dem Publikum eindeutige Stellungnahmen nicht nur zwischen den Zeilen zu übermitteln.

Das Projekttheater Vorarlberg reiht sich mit seiner ,,Macht Liebe Tod“ genannten ,,Kabale und Liebe“-Version weder unter die erwähnten Kommentatoren noch unter jene, die den lustvollen ,,Klassikermord“ propagieren, es gibt eine Spielmöglichkeit vor, die Schillers Typisierung unterstreicht. Alle Rollen werden nur von zwei Personen gespielt. Damit wird aus dem langen Klassiker ein gestrafftes Machtpuzzle, in dem zwar einige Facetten (etwa die die dreckigen Spiele so eindeutige entlarvende Rolle der Lady Mllford) etwas auf der Strecke bleiben, der Schillersche Textschönling jedoch nicht zum Theater-Fast-food oder zur banalen Paraphrase verkommt. Dietmar Nigsch und Maria Hofstatter haben die sicher bewältigte Aufgabe, die Personen grob zu charakterisieren, Ausstatterin Renate Schuler liefert die entsprechend deutliche Bühnensymbolik bzw. Versatzstücke. Regisseur Walter Hiller macht es dem Publikum damit ohne allzu konkret zu werden leicht, die Machtverhältnisse im Spiegel aktueller Gegebenheiten zu sehen.

Ferdinands Schwäche

Was hier besonders schön zum Ausdruck kommt, ist jene Macht, die Ferdinand auf Luise ausübt. Nur jener Mann, der seine Geliebte auch zu seinem ,,Besitz“ macht, ist mit jenen Waffen zu verletzen, die Ferdinands Vater einsetzt. Damit wird Ferdinand als Giftmischer zum Vorgänger all jener kriminellen Protagonisten familiärer Eifersuchtsdramen der Gegenwart.

Die Tatsache, daß das Projekttheater ja nicht den Anspruch erhebt, hier ,,gültiges Schillerspiel“ realisiert zu haben, sowie die spontan positiven Reaktionen der jüngeren sowie älteren Teilnehmer an der Diskussion nach der Aufführung, erhöhen die Akzeptanz dieses Unternehmens natürlich ungemein.

Macht macht Liebe tot!

Ingo Kleinheisterkamp
NEUE Vlb Tageszeitung, 05.10.1997

Das Projekttheater Vorarlberg zeigte mit ,,Macht Liebe Tod“ eine zeitgemäße Adaption von Friedrich Schillers ,,Kabale. und Liebe“. Das Besondere daran: in ,,Macht Liebe Tod“ spielen nur zwei Schauspieler, die alle Rollen übernehmen.

,,Kabale und Liebe“, Schillers Spiel um die Liebe der jungen Luise Miller (eigentlich hätte das Stück „Luise Millerin“ heißen sollen) zu Ferdinand, dem Sohn des Präsidenten von Walter ist ein Stück, das über 200 Jahre alt ist. Die Liebe zwischen einer bürgerlichen Musikertochter und dem Sohn eines Adeligen darf nicht sein, nicht nur der Standesunterschiede wegen, sondern auch wegen machtpolitischen Kalküls. Braucht der Herr Präsident doch seinen Sohn um damit eine ein flußreiche Frau als Schwiegertochter an sich zu binden. Dazu gibt es Intrigen, denn Luise ist schön und der falsche Sekretär Wurm hat ein Auge auf sie geworfen. Liebe, durch Macht zerstört, endet im Tod, teilweise im Freitod.

Zeitlos aktueller Klassiker

Schillers bürgerliches Trauerspiel hat trotz seines Alters noch nichts an Aktualität verloren. Noch immer spinnen Intrigen in unserer Gesellschaft unsichtbare Bänder, noch immer ist Macht omnipotent, auch wenn sie sich heute anders und versteckter, zumindest bei uns, präsentiert. Das war der Grund für das Projekttheater Vorarlberg dieses Stück aufzunehmen und neu zu untersuchen.

Rollen werden getauscht

Zwei Schauspieler, Dietmar Nisch und Maria Hofstätter, stehen auf der Bühne und teilen sich alle wichtigen Rollen; durch eine Degen wird Nigsch zu Ferdinand, durch eine Trachtenjanker zu dem Musiker Miller und durch eine Fellstola zu Lady Milford. Ebenso wie Hofstätter, die ihre Rollen mit einzelnen Accessoires tauscht. Pikant daran ist die Tatsache, dass durch den Verlauf des Stückes manche Rollen doppelt besetzt werden.So mimt sowohl Hofstätter als auch Nigsch zeitweise den Präsidenten, die Lady, den Sekretär Wurm oder den Musikus Miller. Einzig die Rollen der Liebenden wird persönlich gebunden: Nigsch den Ferdinand, Hofstätter die Luise. Möglich gemacht wird dieser Rollentausch dadurch, dass Nigsch oder Hofstätter sich das Utensil der betreffenden dazuzustellenden Figur anheften.

Das klingt zunächst einmal nach unübersehbarem Chaos und Unordnung auf der Bühne und tatsächlich ist für die Zuseherinnen und Zuseher dieser Rollentausch auch erstaunlich. Verwirrend ist er keinesfalls, auch durch die Textstreichungen, die nur wenige Figuren übriglassen, Präsident von Walter, Sohn Ferdinand, Hofmarschall von Kalb, Lady Milford, Sekretär Wurm, Musiker Miller und dessen Tochter Luise. Natürlich stehen auch immer nur zwei Personen auf der Bühne, auch das macht die Übersicht einfacher.

Typen werden dargestellt

Entgegen der ursprünglichen Erwartungen haben diese Vielbesetzungen der Rollen und deren Tausch einen gewaltigen Punkt in der Inszenierung von Walter Hiller ausgemacht: es werden keine Menschen dargestellt sondern nur Typen. Die auf der Bühne auftretenden Figuren sind, mit Ausnahme von Ferdinand und Luise, alle charakterlose Figure, die sich mitleidslos von Macht und Einfluß korrumpieren lassen, ohne irgendeinen Einfluß von Emotionen. Und deswegen ist es korrekt die beiden liebenden persönlich zu besetzen, denn diese sind die einzigen emotionellen Menschen in diesem Stück. Dabei fehlt in der Inszenierung weder Trauriges, noch Ernstes, noch Komödiantisches. Letzteres gilt insbesondere für Maria Hofstätter in der Rolle des Hofmarschalls von Kalb. Eine dermaßen lächerliche Figur, wie sie von Hofstätter dargestellt wurde, zeigt den verzweifelten Spielball, die ein Marschall zwischen Macht und Galgen hat.

Dem Projekttheater gelang mit ,,Macht Liebe Tod“ Großartiges, das gilt nicht nur für die beiden SchauspielerInnen, sondern auch für den Regisseur Walter Hiller, der das ganze locker-spannend inszenierte.

Kabale um Macht, Liebe und Tod
Walter Hiller hatte den Schillertext auf Wesentliches reduziert

Eva Jacob
VN-Heimat, 23.10.1997

Schillers ,,Kabale und Liebe“ bekam durch die Kammerspiel-Version von Walter Hiller insofern eine neue Dimension, als man der Wucht des Wesentlichen voll ausgesetzt wurde. Das Wagnis ist als gelungen zu bezeichnen. Bloßgelegt wurden die Nerven des Dramas: Schiller pur. Hiller ließ von Maria Hofstätter und Dietmar Nigsch lediglich die Schnittstellen spielen und folgte dennoch der Partitur der Sprache.
Stünden allerdings keine ,,Luise“ wie die von Hofstätter zur Verfügung und kein ,,Ferdinand“ wie Nigsch, die dazu noch nahtlos in die Rollen der ,,Lady Milford“, des ,,Sekertare Wurm“, des ,,Präsidenten“, des ,,Hofmarschalls von Kalb“ und des ,,Musikus Miller“ schlüpften – doch dieser Gedanken gang kann angesichts der blitzgeschwinden Metamorphosen vernachlässigt werden. Die Collage verlangt, dass einmal die Hofstätter und einmal Nigsch die Lady spielen. Das gelang Nigsch vielleicht noch eine Spur raffinierter als Maria Hofstätter. Sie hingegen legte ein Kabinettstück von ,,Hofmarschall“ hin, das man so schnell nicht vergessen wird und das ihr auch so leicht keiner nachmacht. War der Text Schiller pur – so zelebrierte die Hofstätter Schauspielkunst pur.

Die Ausstattung spielt mit

Wesentlich zum Erfolg trugen die Bühne und die Kostüme von Renate Schuler bei. Auch hier war das Prinzip der Verknappung, der Essenz. gewahrt. Für die Lady gab es als Accessoire lediglich eine luxuriöse, weiße Pelzstola, für den Präsidenten einen martialischen Schulteraufbau, der schmierige Wurm – und der war von Hofstätter um eine Spur intensiver als der von Nigsch – war in einen Mantel gehüllt und gar noch mit einer Maske verhüllt.

Der Herr Sekertare Wurm ist noch böser als der Präsident, weil klüger. Ein Eid würde sie doch nicht binden, fürchtet der Präsident. ,,Uns nicht“, überzeugt ihn der Wurm, ,,diese Leute schon.“ Kälter, krasser und erbarmungsloser kann die Kabale nicht beschrieben werden. Indem diese Sätze her vorgehoben und isoliert werden, gewinnen sie um so mehr Attacke. Heißer Herbst im Hallenbad – auch dieser Versuch ist aufgegangen.

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