März – ein Künstlerleben

von Heiner Lipphardt

In einer dramatischen Verbindung von Theater und Video wird die Liebesgeschichte von Hanna und März, die seit Jahren in der psychiatrischen Klinik Lohberg leben, erzählt. Utopisch, fast märchenhaft anmutend entsteht der Entwurf eines anderen Lebens, wie es Hanna und März ersehnen und kurzfristig, jenseits der gesellschaftlichen Zwänge auch realisieren können.

Premiere: 31. Jänner 2004, Hallenbad Feldkirch

Regie/Bearbeitung: Susanne Lietzow
Es spielen: Dietmar Nigsch, Volker König
Video: Julia Gschnitzer, Maria Hofstätter, Martina Spitzer, Heinrich Herki, Christoph Krutzler, Franz Joses Stangl, Florentin Lietzow, Ulrich Scherzer
Kostüme/Bühne: Renate Schuler
Bühnenbau: Erika Lutz
Lichtdesign: Peter Thalhamer
Soundtrack: Johannes Steininger
Technik: David Pfeifer
Organisation: Johannes Hoschek

Pressestimmen

Ausbruch aus der Norm
Mit „März, ein Künstlerleben“ von Heinar Kipphardt zeigt das Projekttheater Vorarlberg derzeit eine ganz ausgezeichnete Theater-Video-Produktion.

Brigitte Kompatscher
Neue Vorarlberger Tageszeitung, 03.02.2004

Kompakt und intensiv
Die Thematik wurde von Kipphardt zuerst in einem Fernsehfilm, dann in einem Roman und zuletzt auf der Bühne behandelt. Susanne Lietzow hat für das Projekttheater Roman und Theaterfassung herangezogen und gemeinsam mit der Videofilmerin Petra Zöpnek eine kompakt und intensive Produktion erarbeitet.
Dem jungen Arzt steht auf der mit wenigem Mobiliar spärlich eingerichteten Bühne (Renate Schuler) mit dem Dichter Alexander März eine überraschend starke Persönlichkeit gegenüber – eine Figur, die mit Zynismus und Intelligenz auf die Annäherungen des Arztes reagiert, gesellschaftliche Normen und Regeln radikal verweigert, sich außerhalb stellt und mit Verachtung auf das so genannte Normale reagiert. Ob als Reaktion auf die Krankheit oder selbstgewählt sei dahingestellt. Die Distanz zwischen Arzt und Patient kann kaum abgebaut werden, zu klar scheinen die Fronten abgesteckt.
Differenziert zeichnet Volker Kofler, der sich nicht mit den Grenzen abfinden will, der sein Tun in Frage stellt und sich hingezogen fühlt zu seinem Patienten. März hingegen, dem überaus überzeugend von Dietmar Nigsch Charisma und Profil verliehen werden, will seine Ruhe haben, sein Leben leben dürfen. Was kurzfristig gelingt: Gemeinsam mit der ebenfalls schizophrenen Hanna (Maria Hofstätter) haut er ab, auf eine Alm in der Schweiz, wo sie einige Monate lang ihr Leben leben. Was aber – unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen – nur befristet möglich ist: Als Hanna schwanger wird und einen psychotischen Schub bekommt, stehen die beiden vor Koflers Tür. Trennung und Psychiatrieeinweisung stehen bevor.
Schauspiel-Video
Kongenial und packend werden in dieser Produktion Schauspiel und Video verbunden, wird das Geschehen auf der Leinwand direkt oder als Gegenentwurf integriert in jenes auf der Bühne, ermöglichen die Videos eine umfassende Darstellung der Figur Alexander März (seine Eltern und seine Schwester sprechen über ihn, seine Kindheit, ihre Gefühle ihm gegenüber) – und nicht zuletzt verdeutlicht das Nebeneinander der Mittel auch das Nebeneinander der Welten.
Zweier Welten, bei denen schon bald nicht mehr klar ist, was denn nun wirklich krank und was gesund ist, ob etwaige Definitionen nichts anderes als willkürlich und machterhaltend für einige wenige sind. Eine spannende, aufwühlende Produktion, die zu Recht viel Applaus erhalten hat.

Lieber verrückt als ein Rädchen
Beklemmende Projekttheater-Premiere von Kipphardts „März“ im Hallenbad

Über 15 Jahre ist das Projekttheater nun tätig. Ordnungen bzw. scheinbar fest gefügte Ordnungen zu hinterfragen, war immer schon ein Anliegen von Dietmar Nigsch und seiner Truppe. Am deutlichsten und auvh am beklemmendsten hat man sie nun mit der neuen Produktion hinterfragt.

Christa Dietrich
Vorarlberger Nachrichten, 03.02.2004

Am Samstagabend hatte das Stück „März, ein Künstlerleben“ im Hallenbad im Feldkircher Reichenfeld Areal Premiere. Der Autor Heinar Kipphardt war selbst Psychiater und sah in mancher Psychiater und sah in mancher Psychose einen Lebensentwurf anderer Art. Sein Held Alexander März ist schizophren, lebt in eine Klinik und tritt in der Projekttheater-Fassung entweder als Dialog-Partner seines Arztes oder als Filmfigur in Erscheinung.
Nur in einzelnen Szenen werden Filmfiguren und Schauspieler direkt miteinander verknüpft. Ein waghalsiges Unternehmen, auf das sich die Projekttheatercrew da eingelassen hat. Aber schließlich ist es dem Stammteam ja gelungen, neben der deutschen Schauspielerin in d Regisseurin Susanne Lietzow (mit der man schon beim „Drang“ im Vorjahr erfolgreich zusammenarbeitete), mit der Filmemacherin Petra Zöpnek und dem Schauspieler Volker König weitere, erfahrene Vollprofis zu engagieren.

Nicht versandet
Die Fragen nach Realität, Normalität und Sinnhaftigkeit von Ordnungen versanden somit nicht zwischen den technisch variantenreichen und dennoch suggestiven Filmszenen, die Ausstatterin Renate Schuler auf die große Rückwand eines Sprechzimmers projizieren lässt. So wie uns März als Figur erscheint, die sich eine Gegenwelt geschaffen hat wird uns sein Ausbruch mit Hanna in die Berge filmisch als Gegenwelt zum Alltag vorgeführt.

Konzentriert agiert
Maria Hofstätter spielt diese Hanna und obwohl es auch ihre Aufgabe ist, die Härte der Gesellschaft spürbar zu machen, wirkt hier nichts plakativ. Ebenso gelingt es der Regie in den gefilmten Statements der Mutter (Julia Gschnitzer) und Schwester (Marina Spitzer) niemals in den Betroffenheitssumpf abzudriften. Dasselbe gilt für den konzentriert agierenden Dietmar Nigsch (März), der nicht unter den kehrt, das der; für den der Zuschauer Partei ergreift, sich – was Hanna betrifft – im Grunde äußerst egoistisch verhält. Und es gilt vor allem für Volker König (Arzt).
In einer klugen Rollenauffassung schafft er es, dem Publikum den Grundkonflikt zu vermitteln.
Jene Irritation, die Personen, die wir als psychisch krank einstufen, dann doch mit scharf und intelligent kombinierten Aussagen auslösen, machte sich im Hallenbad breit, wo das Publikum die Künstler letztlich begeistert feierte.

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